Sag, Rebound & Compression - MTB Fahrwerk einstellen | #22

Der Dämpfer lässt Dich in der Steilkurve im Stich, auf einem Steinfeld zieht es Dir den Rotz aus der Nase und ab der dritten Abfahrt quält Dich Arm Pump? Klare Sache: Dein Dämpfer und deine Gabel brauchen etwas Aufmerksamkeit und vor allem die richtige Einstellung. Doch wie stellt man am Mountainbike Gabel und Dämpfer richtig ein?

Die Gabel eines Mountainbikes: Der Aufbau

Schauen wir uns mal eine aktuelle und gängige Gabel eines der beiden großen Hersteller Fox oder Rockshox an: Du findest an der Gabel für ein Mountainbike die Gabelkrone mit dem Gabelschaft sowie die beiden Tauch- und Standrohre und die Gabelbrücke. In den Tauchrohren befindet sich auf der einen Seite die Federung mit der Luftkammer, die Du über die Veränderung des Luftdrucks anpassen kannst. Im zweiten Tauchrohr befindet sich die Dämpfungseinheit bzw. -kartusche. Mit dieser kannst Du die Dämpfung variabel und schrittweise einstellen. D.h., wie schnell Deine Gabel Federweg nutzt oder eben wieder freigibt.

3 Schritte zum richtigen Setup: SAG einstellen

Damit die Gabel an Deinem Bike richtig arbeiten kann, musst Du im allerersten Schritt den SAG einstellen, d.h. den Negativfederweg. Das solltest Du tun, egal ob Du Cross Country rast, Trails shreddest, Enduro oder Downhill fährst. Denn der SAG beschreibt den Anteil des Gesamtfederweg, den Deine Gabel nutzt, sobald Du dich aufs MTB setzt oder stellst. Je straffer Dein Fahrwerk eingestellt ist, also je mehr Luftdruck Du auf die Gabel oder den Dämpfer gibst, desto geringer ist der SAG. Ein geringer SAG hat die Folge, dass Dein Fahrwerk sehr straff und unsensibel arbeitet. Reduzierst Du den Druck in Gabel oder Dämpfer, arbeiten diese deutlich sensibler. Der Nachteil: Durschläge drohen und beim Pedalieren oder beim Pushen auf dem Trail verschwindet Energie in Gabel und Dämpfer.

Ob Du den Negativfederweg stehend oder sitzend misst, ist egal. Wichtig ist: mach es einheitlich. Also nicht einmal sitzend und beim nächsten Mal im Stehen den SAG messen.

Idealerweise unterscheiden sich der Negativfederweg von Gabel und Dämpfer, denn bergab ändert sich die Gewichtsverteilung auf Deinem Mountainbike und die Gabel wird stärker belastet, muss also mehr Gewicht aufnehmen. Ist Deine Gabel dann zu weich, sackt sie Dir im Federweg ab und Du hast weniger Federweg-Reserven und – was noch schlimmer ist – ein Durchschlag droht. Zudem wird die Luft in einer Federgabel komprimiert und ist progressiv. D.h., dass Du mehr Energie benötigst, damit die Gabel weiterhin anspricht, je tiefer sie sich im Federweg befindet. Ist Deine Gabel zu weich eingestellt, wird es beispielsweise bergab ab einem bestimmten Punkt unangenehm, da mehr Kraft (Losbrechmoment) auf die Gabel einwirken muss, um die Gabel weiterhin anzusprechen und den restlichen Federweg nutzen zu können.

Mittlerweile findest Du auf den Webseiten aller großen Hersteller oder sogar direkt auf den Gabeln bzw. Dämpfern eine SAG-Skala bzw. Vorgaben zum Luftdruck, den Du bei einem bestimmten Gewicht nutzen solltest, um einen guten SAG zu haben. Diese kannst Du nutzen, um einen gutes Basis-Setup zu haben. Es lohnt sich, mit dem SAG zu spielen und auf einem Trail mit mehr und auch mit weniger SAG zu fahren, um bestimmte Setups auszuprobieren und zu verstehen, inwiefern sich diese Änderung auf Dein Mountainbike und damit auch auf Deinen Fahrtstil auswirkt.

Ein letzter Tipp: zieh Dir das an, was Du normalerweise beim Bike trägst, wenn Du den SAG einstellst. Denn Hose, Jersey, Helm, Schoner, Schuhe und Rucksack oder Hip Bag mit Trinkblase ergeben addiert zusätzliches Gewicht, das den SAG nachhaltig beeinflussen kann.

Rebound einstellen

Im zweiten Schritt stellst Du den Rebound ein. Der Rebound regelt wie schnell deine Gabel nach dem Einfedern Federweg wieder freigibt. Statt Rebound wird im Deutschen auch oft von der Zugstufe gesprochen. Den Rebound kannst Du bspw. an Deiner Gabel am unteren Ende auf der Dämpfungsseite einstellen. Der Rebound sollte lebhaft arbeiten, aber nur so schnell wie möglich. Drehst Du den Rebound ganz rein (im Uhrzeigersinn), gibt Deine Gabel Federweg nur langsam frei, nimmst Du in komplett raus (gegen den Uhrzeigersinn) gibt die Gabel diesen umgehend frei, sobald weniger Kraft auf sie einwirkt.

An High-End-Gabeln kannst Du sowohl den High Speed als auch den Low Speed Rebound (und auch Compression/Druckstufe) einstellen. Damit ist nicht die Ausfedergeschwindigkeit gemeint. Sondern High und Low Speed bezeichnen die Intensität bzw. die Geschwindigkeit mit der eine Kraft auf Deine Gabel oder Deinen Dämpfer wirkt. Low Speed deckt Kräfte ab – vereinfacht gesagt - die die ersten 50% des Federwegs Deiner Gabel oder Deines Dämpfers ab. Der High Speed Bereich Deines Fahrwerks kommt ins Spiel, wenn Deine Gabel zum Beispiel bei der Landung nach einem Sprung fast den kompletten Federweg nutzt, dann spricht in dem Fall beim Ausfedern zuerst der High Speed Bereich an. Du solltest beide Bereiche nicht zu unterschiedlich einstellen sondern gleichmäßig aufeinander abstimmen. Was heißt das? Deine Gabel sollte im High Speed Bereich nicht schnell und im Low Speed Bereich mit viel Dämpfung und dadurch verlangsamt Federweg freigeben. Das würde sich unnatürlich und nicht homogen anfühlen und Dich beim Fahren irritieren.

Ob Dein Rebound korrekt eingestellt ist, kannst Du ganz einfach prüfen: Gib impulsartig eine starke Belastung auf Deine Gabel und lasse diese dann los. Wenn Deine Gabel beim Ausfedern schnell ausfedert, ohne dass das Vorderrad Deines MTBs abhebt, ist sie gut eingestellt. Beim Dämpfer kannst Du den Rebound testen, indem Du dich auf das Rad stellst und Dich aus dem Stehen auf den Sattel fallen lässt. Dein Bike sollte dann lediglich eineinhalb mal nachschwingen, also einmal komplett einfedern, einmal komplett ausfedern und dann zur Ruhe kommen. Das ist ein guter Test, um eine erste Orientierung zu haben.

Falls Du auf dem Trail das Gefühl hast, dass Deine Gabel regelmäßig abhebt und dass es einen Kick nach Sprüngen gibt, arbeitet Dein Rebound zu schnell. Hast Du bspw. auf Wurzelfeldern das Gefühl, dass Deine Gabel zu wenig arbeitet oder zu straff ist, kann das daran liegen, dass sie zu langsam arbeitet und den Federweg nicht schnell genug freigibt. Kommt es dann zu einer Folge von Schlägen, sackt die Gabel oder der Dämpfer immer weiter in den Federweg ab. Mit der Konsequenz, dass aufgrund der Kompression der Luft mehr Kraft notwendig ist, um die Gabel anzusprechen und so Dein Komfort sinkt. In dem Fall solltest Du die Dämpfung der Zugstufe reduzieren.

Ein Tipp noch zum Abschluss: Die Federhärte und die Zugstufe stehen in direktem Verhältnis. Veränderst Du also den Luftdruck in Deinem Fahrwerk, musst Du auch den Rebound anpassen. Je mehr Luftdruck Du fährst, desto mehr Dämpfung musst Du fahren, um die Gabel daran zu hindern, zu schnell auszufedern

Kompression einstellen

Die Kompression (Druckstufe oder englisch Compression) unterliegt – im Gegensatz zu Rebound (aka Zugstufe) stärker Deinen persönlichen Vorlieben und Deinem Fahrstil und regelt die Einfedergeschwindigkeit Deiner Gabel oder Deines Dämpfers. In Bezug auf High und Low Speed

Kompression gilt das gleiche, was wir bereits bei der Zugstufe erläutert haben: entscheidend ist nicht Deine Geschwindigkeit auf dem Rad sondern wie schnell eine Kraft in Dein Fahrwerk eingeleitet wird. Die Low Speed Kompression umfasst Wurzeln, Bremsnicken oder Gewichtsverlagerungen sowie Steilkurvenfahrten. Oder mit anderen Worten: mit ihr kannst Du den Gegenhalt einstellen. Federt Dein Fahrwerk bei diesen Hindernissen bzw. Körperbewegungen zu stark ein und steht nicht hoch genug, solltest Du mehr Low Speed Druckstufe nutzen. Gleiches gilt auf sehr rauem Terrain, bei Sprüngen oder bei Bremslöchern. Hast Du dann zu wenig Gegenhalt und schlägt Deine Gabel zu schnell durch, kann mehr High Speed Druckstufe die Lösung sein.

Durschläge: Progression der Federrate erhöhen

Übrigens: Durschläge. Hast Du Dein Fahrwerk korrekt eingestellt und dieses schlägt munter und regelmäßig durch, hilft Dir nur, die Progression der Federrate zu erhöhen. D.h., Du musst mit Tokens (RockShox) bzw. Volume-Spacern (FOX) das Volumen der Luftkammer reduzieren. Dadurch erhöhst Du die Progression. D.h., es wird mehr Kraft im Laufe des Federwegs benötigt, um die Luft in Deinem Fahrwerk zu komprimieren.

Nach all der Theorie hast Du nun Lust aufs Testen? Dann schau Dir unseren MO Show Fahrwerkssetup an und dann ab auf den Trail und umsetzen.

Steffi und Tino sagen: Ride On! Bis zur nächsten MO Show-Folge.

Mitwirkende

  • Moderatoren - Steffi Marth und Tino Gerbert
  • Produktion, Kamera, Schnitt - Max Dreyer